Stefan Pohlit: Am Rhein
für sechs Stimmen
(2024)Die Peripherie beschäftigt mich in den letzten Jahren in einer eigenen Werkreihe, primär in den Grenzregionen zwischen Europa und dem Orient. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und lebte in den Jahren vor meiner Rückkehr nach Deutschland isoliert an der Ägäis. Hinzu kommt, dass meine Vorfahren zu dreiviertel aus Polen stammen. Als Ode an die »Heimat« (die eigentlich nie eine war) schöpft Am Rhein aus der Folklore des Fischerdorfs Neuburg, wo mein Großvater Otto Balzer geboren wurde. Verlagerungen des Stromverlaufs haben Neuburg im 16. Jahrhundert von Baden an die Grenze zum Elsass befördert. Als Sprachinsel ist es mehrfach erforscht worden. So habe ich, aufbauend auf der Dissertation des Philologen Dieter Karch (University of Nebraska 1978), mundartliche Quellen verarbeitet. Die Berichte zeichnen das Bild einer Landbevölkerung, die so arm war, dass sie noch Anfang des 20. Jahrhunderts in Scharen in die USA und in die Ukraine auswanderte.
Ich glaube an die Weiterentwicklung aller Kulturen. Ein Großteil meiner Arbeit strebt die Umwandlung des ökonomischen Denkens in eine »Ökologie des Geistes« an. Im Mittelpunkt steht der Mensch, den ich nicht polarisierend, sondern durch eine konjunktivische Realität betrachte. Als Musikethnologe hege ich den Wunsch, dass sich meine Informanten im »Endprodukt« wiedererkennen. In diesem Kontext habe ich die Komposition meiner Kantate als Herausforderung empfunden, weil ich die »Naivität « meines Stoffes nicht verhülle. Für Unterstützung bin ich dem Musiker Klaus Hessert, ganz besonders meinem Großcousin, dem Heimatforscher Gerd Balzer, zu Dank verpflichtet.
(Stefan Pohlit)