One line

Tomoko Fukui: Die Dinge

für sieben Stimmen

((2024/2025))

Wenn ich Instrumentalmusik schreibe, finde ich zunächst Klangfarben und Spielweisen, die mich interessieren, und dann komponiere ich, indem ich Beziehungen zwischen ihnen herstelle. Während dieses Prozesses denke ich selten über außermusikalische Ideen oder Emotionen nach, sondern ich denke ständig über das Wesen und die Rolle von Klängen und struktureller Spannung nach. Das ist in der Vokalmusik anders, wo die Verwendung von Worten und deren Bedeutung meinem Werk zwangsläufig außermusikalische Bedeutungen verleihen würde. Aus diesem Grund habe ich die Stimme als Quelle für abstrakte Klangfarben genutzt. Ich habe es vermieden, poetische Texte zu verwenden, und ich denke, dass es nicht notwendig ist, dass Zuhörer*innen die einzelnen Worte deutlich hören können.

 

Obwohl ich nicht glaube, dass meine japanische Identität etwas mit meinem Komponieren zu tun hat, habe ich in dieses Stück zwei japanische Geschichten aufgenommen, um über die Bedeutung der »Dinge« nachzudenken. Es gibt eine japanische Vorstellung, dass in allen Dingen dieser Welt Gottheiten wohnen. Dies geht über Animismus und Naturalismus hinausman glaubt, dass in jeder menschlichen Schöpfung (sowohl materiell als auch immateriell) eine Gottheit wohnt. Auf einem Gemälde aus der Zeit um 1500 erscheint ein altes Werkzeug, das seit vielen Jahren benutzt wird, als »tsukumogami« (Gott oder Kobold), ein Geist mit Armen und Beinen, der Menschen angreift.

 

Das Wort »Tsukumo«, der Titel des ersten Teils, bedeutet »99«. »Tsukumogami« taucht auch in den berühmten Romanen Konjaku (Geschichten vergangener Zeiten) aus der Zeit um 1200 auf. In dieser Geschichte wachsen den Werkzeugen, die 99 Jahre lang benutzt wurden, Gliedmaßen, und sie greifen die Menschen an, wenn sie weggeworfen werden. Moderne Menschen neigen jedoch dazu, Dinge einfach wegzuwerfen. Ich habe in diesem Stück Plastikflaschen verwendet, weil Plastikflaschen eine der lästigsten Erfindungen der Menschheit in der Geschichte darstellen.

 

Der zweite Teil heißt Die Dinge. Von Menschen geschaffene Dinge können durch Naturkatastrophen und menschliche Konflikte zerstört werden. Menschen und Dinge… Diese Beziehung hat mich interessiert, und so habe ich eine Gebrauchsanweisung als Text verwendet. Bedienungsanleitungen enthalten manchmal lächerliche Aussagen wie »Trocknen Sie Ihre Katze nicht in der Mikrowelle« oder »Wenn Sie einen Haartrockner in der Badewanne benutzen, bekommen Sie einen Stromschlag.« Bei dem leicht ironischen Text, den ich verwende, habe ich mir auch Bedienungsanleitungen für Menschen und die Erde ausgedacht. In Die Dinge geht es eher um die Ähnlichkeit der Aussprache und der Akzente zwischen den Wörtern als um ihre Bedeutung.

Tomoko Fukui