One line

Vladimir Rannev: EREIGNISSE

für sechs Stimmen

nach ausgewählten Texten aus dem Zyklus von Thomas Bernhard

 

(2023)

Die existenziellen Miniaturen von Thomas Bernhard, unter dem kurzen und fast gleichgültig-neutralen Titel »Ereignisse« zusammengefasst, sind in einer strengen und präzisen Sprache geschrieben. Gerade durch diese Straffheit und die erschreckende Offensichtlichkeit, in der der Autor über surrealistische und oft auch schockierende Ereignisse berichtet, hinterlassen diese Skizzen einen starken emotionalen Eindruck. Bernhard urteilt nicht und klagt nicht an. Er zeichnet nur die Vorbestimmtheit und Alltäglichkeit des Tragischen im Leben auf. Er lässt seine Figuren eine Weile an der Grenze zwischen Leben und Tod innehalten und von diesem Standpunkt aus auf sich selbst und auf das Umfeld schauen.

 

In dieser Position wird klar, dass »der Schein trügt« (so heißt ein Theaterstück von Bernhard) und die vom europäischen Humanismus besungene Persönlichkeit mit allen ihren kultivierten Höhen und Tiefen sich nur als einen »komischen kleinen Mann in einer Zeitungsmütze« manifestiert (wie der Maler, eine Figur in »Ereignisse«). In all diesen Text-Miniaturen geht es um die Kapitulation des Humanismus, was diese Miniaturen der modernen gesellschaftlichen Realität und der aktuellen politischen Agenda näher bringt.

(Vladimir Rannev)