Amr Okba: Faith
for five voices
(2013)Ra, Osiris, Amun, Aten, Isis, Serapis, Yehowa, El Shaddai, Gott, Adonai, Allah–mit einem friedlichen Nebeneinander ägyptischer, jüdischer, christlicher und islamischer Gottheit(en) eröffnet Amr Okba sein Werk Faith. Sein Heimatland Ägypten bezeichnet er als ein »Land der Religionen«, in dem die drei monotheistischen Religionen des Mittelmeerraums seit ihrem Bestehen verwurzelt waren und sich fort und eine Eigenständigkeit entwickelt haben (das gilt insbesondere für die Kopten als ägyptisch–also »koptisch«–geprägtes Christentum).
Das weniger friedliche Gegeneinander im Zusammenleben dieser drei Religionen ist Anlass für Amr Okbas Vokalwerk. Der Komponist, der in Italien, London und Salzburg studiert hat, beschäftigte sich bislang vor allem mit Instrumentalmusik und entwickelte eine oft von bildhaften, dramatischen Gesten geprägte Klangsprache. Ägyptisch-arabische Musik geht vor allem von der Stimme aus und ist insbesondere im religiösen Leben verankert. Aus religiösen Gesängen–jüdischen Tehillim, koptischer Liturgie und Koranrezitation–speist sich auch der Klangvorrat für Amr Okbas Werk.
Den fünf Stimmen sind in Faith klare Rollen zugeschrieben: Die drei Weltreligionen werden durch die drei Männerstimmen repräsentiert, den Frauen kommt die Rolle des »Himmels« zu, der sich in die religiösen Auseinandersetzungen nicht einmischt, sondern in stoischer Beharrlichkeit die 10 Gebote zitiert (die, wenn sich nur alle an diese gemeinsame Grundlage halten würden, das Zusammenleben eigentlich von alleine regeln sollten). »Aber unglücklicherweise scheint es in der Natur des Menschen zu liegen, nach Unterschieden zu suchen«, ist die lakonische Bemerkung des Komponisten dazu, und so entwickelt sich aus der anfänglichen Einstimmigkeit der drei Männerstimmen zunächst durch mikrotonale Abweichungen und allmähliche Adaption liturgischer Gesten ein Geflecht linearer Fortspinnung und eine fortschreitende Unabhängigkeit der drei Stimmen bis hin zu völlig unterschiedlichen Tempi und einer daraus sich ergebenden Zufälligkeit der harmonischen Beziehungen. Eine Katharsis gehört nicht zum Konzept dieses Miniaturtheaters religiöser Verwicklungen, über die Amr Okba in seinem Werkkommentar schreibt »Die Juden glauben nicht, dass Jesus Gott ist. Sie betrachten das Christentum als häretische Abspaltung vom Judentum, und den Islam wiederum als eine aus dem Judentum und dem Christentum zusammengeflickte Häresie. Die Christen sehen, dass das Judentum seinen eigenen Messias zurückgewiesen hat und nicht länger Teil jenes von Gott versprochenen Bundes ist, denn dieser Bund fand seine Erfüllung in Christus. Die Muslime glauben, dass sowohl das Judentum als auch das Christentum korrumpierte Religionen sind, die unwissentlich Fragmente der Wahrheit in sich bergen, die aber Lügen über Allah und alle Gerechtigkeit verbreiten. Abgesehen davon glauben sie, dass Allah mit dem Islam der Menschheit nach so viel Korruption die Wahrheit geschenkt hat und dass alle Völker durch den Islam sich zu Allah hinwenden müssen.«